Bilder im Internet – Fluch und Segen zugleich.

Meine Großmutter hat damals Fotoalben angelegt, die die ersten Jahre meines Lebens dokumentieren. Dazu hat sie die Fotos nicht nur eingeklebt, sondern auch akribisch genau beschrieben. Diese Fotoalben sind eine ganz besondere Erinnerung und hin und wieder blättere ich sie gedankenversunken durch.

Heutzutage ist alles etwas einfacher. Zum einen wird ungleich mehr Fotografiert als früher und zum anderen sammelt man Fotos nur noch selten in Fotoalben. Familienfeiern, bei denen früher 20 bis 30 Fotos gemacht wurden, werden heutzutage mit 500 Digitalfotos dokumentiert, die dann in entsprechenden Ordnern auf dem Computer archiviert werden. Hand auf das Herz: Wer schaut sich regelmäßig diese 3000 Aufnahmen der Familienfeiern aus dem vergangenen Jahr regelmäßig an?

Man hat die Möglichkeit solche Momente im Internet zu präsentieren. Viele Menschen tun dies mehr oder weniger inbrünstig in sozialen Medien. Gleiches gilt für andere Fotos, die man so macht. Familienfeste, Landschaftsaufnahmen oder Urlaube finden ihren Weg ins Internet und werden dort gesammelt und einem mehr oder weniger interessierten Publikum präsentiert.

Obwohl ich, ehrlich gesagt, ein großer Fan von all diesen tollen modernen Möglichkeiten bin, möchte ich meine alten Fotoalben nicht missen. Private Erinnerungen und Momente, die man nicht in den sozialen Medien teilen möchte. Ebenfalls bin ich zu faul, in Foto-Ordnern zu wälzen, die 500 und mehr Fotos enthalten.

Ich habe nun begonnen, die Meilensteine meiner Bilder zu sammeln. Das ist nicht immer ganz einfach und erfordert etwas Zeit, die richtigen Bilder zu finden. Diese Fotos werde ich mir in einem Fotobuch drucken lassen. Versehen mit kleinen Kommentaren. Ich habe mir auch überlegt, diese Kommentare nicht mitdrucken zu lassen, sondern später handschriftlich hinzuzufügen. Das verleiht dem Ganzen dann noch eine etwas persönlichere Note.

Dieses Fotobuch wird zwar nicht alle meine Fotos zeigen – sehr wohl aber einen kleinen Überblick präsentieren, den man sich vielleicht in einigen Jahren gern wieder anschaut. Die Wahrscheinlichkeit ist zumindest höher, als es in 10 Jahren zu genießen, Tausende von Fotos auf dem Computer anzuschauen.

Etwas anders liegt das bei Konzeptarbeiten oder ganzen Fotoshootings, die man präsentieren muss oder möchte. Hier ist eine Webseite sicher ein geeigneteres Medium. Ich selbst pflege so eine Webseite nicht. Zwar poste ich auch gern die Sternstunden meines Schaffens in sozialen Medien; doch dies eher unaufdringlich und nicht unter einem besonderen Namen oder einer speziell dafür angelegten Webseite.

Was ich sehr mag, sind Webseiten von Künstlern und Fotografen, die wirklich nur ihre eigenen Arbeiten präsentieren. Kennt jemand diese „Communities“, die sich hemmungslos bei anderen Künstlern bedienen und täglich Dutzende von Bildern posten? Die Idee ist an sich zwar nicht schlecht, da sich Kunstbegeisterte hier einen breiten Überblick verschaffen können – auf der anderen Seite werden diese Leute stets viel mehr Bilder posten können, als jemand, der sie selbst produzieren muss.

Diese Communities tragen also dazu bei, dass die Aufnahmebereitschaft der Betrachter grob übersättigt wird. Der Betrachter erwartet, dass Heute 50 neue Bilder auf der Webseite sind und Morgen die nächsten 50. Auf der Webseite eines Künstlers wird er diese Masse nicht vorfinden. Dadurch liegt der Fokus dann auch nicht mehr auf dem Künstler selbst, sondern auf der Community. Das ist schade und sehr unvorteilhaft.

Diese Masse an Angebot verändert unsere Wahrnehmung. Wir sind es gewohnt eine Masse von Bildern zu sehen, anstelle uns über die Schönheit oder Einzigartigkeit einer Arbeit zu freuen. Ich denke oft über dieses Phänomen nach. Ganz ohne Zweifel mit einer gehörigen Portion Wehmut. Es gibt sehr viele tolle Arbeiten, die es verdient hätten gesehen zu werden. Nicht selten gehen diese besonderen Arbeiten in der großen Masse komplett unter und es wird ihnen nicht die Aufmerksamkeit zuteil, die sie eigentlich verdient hätten.

Ändern wird man das nicht können, da man schlecht das Bewusstsein einer ganzen Generation ändern kann. Für mich selbst habe ich aber die Entscheidung getroffen, Bilder nicht so in der Masse zu konsumieren. Bisher fahre ich ganz gut damit, da ich trotzdem immer wieder Bilder entdecke, die mich sehr faszinieren und die ich sicherlich übersehen würde, wenn ich eine andere „Sehgewohnheit“ hätte.

Welche Sehgewohnheiten haben Sie?